Hygiene auch für die Psyche? – Die Kraft der Gedanken

Frau auf Hängebrücke
Bild: R. Grandpair

Hygiene auch für die Psyche – wie geht das und warum ist das gerade jetzt eine wichtige Ergänzung zu konventionellen Hygienemaßnahmen?

Derzeit haben Hygienemaßnahmen einen so hohen Stellenwert wie noch nie und das ist gut so. Ein anderer Beitrag dieses Newsletters enthält detaillierte Informationen dazu.

Aber selbst wenn Sie sich gewissenhaft an die Hygieneempfehlungen halten, verbleibt nicht selten ein ungutes Gefühl. Was ist, wenn andere sorglos damit umgehen? Was für Folgen hat es beispielsweise für mich, wenn ich versehentlich angehustet wurde?

Wenn, wie gerade jetzt, eine Bedrohung gefühlt überall lauert, ist es sehr hilfreich, auch Hygienemaßnahmen für die Psyche zu praktizieren. Falls es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bei Ihnen zu einer Virusübertragung gekommen ist, braucht Ihr Immunsystem optimale Bedingungen, um mit dem Erreger fertig zu werden. Ein erster hilfreicher Schritt dafür ist, die Bedürfnisse Ihres Körpers noch besser wahrzunehmen und auch zu befriedigen, als Sie das bisher getan haben. Dies betrifft bei den meisten Menschen ganz besonders das Bedürfnis nach echter Erholung. In unserer Gesellschaft ist es fast zur Selbstverständlichkeit geworden, immer leistungsbereit sein zu wollen. Selbst in der Freizeit suchen sich viele Aktivitäten, die eher Herausforderungen beinhalten, als Regeneration zu ermöglichen. Wir zünden die Kerze von beiden Enden gleichzeitig an und stellen dann irgendwann erstaunt fest, dass wir „ausgebrannt“ sind. Wenn derzeit viele gewohnte Freizeitaktivitäten gezwungenermaßen entfallen, ist das zwar einerseits eine schmerzliche Einschränkung, andererseits aber auch eine Chance für jeden Einzelnen, nach neuen und anfangs ungewohnten Formen der Erholung zu suchen und dabei auf die Signale und Bedürfnisse seines Körpers zu achten. Dies ist schon ein erster wichtiger Schritt hin zu einem optimal funktionierenden Immunsystem.

Wir wissen inzwischen, dass die große Mehrzahl aller Coronavirusinfektionen glücklicherweise sehr milde oder manchmal sogar symptomlos verläuft. Zumindest, wenn man nicht einer Risikogruppe angehört oder eine sehr große Menge Viruspartikel eingeatmet hat. Ein mittleres Maß an Besorgtheit ist daher angebracht – gerade so viel, dass Sie die gebotenen Schutzmaßnahmen konsequent praktizieren. Alles, was darüber hinausgeht, ist dann nicht mehr zieldienlich. Durch übertriebene Besorgnis fokussieren Sie die Aufmerksamkeit auf das, was nicht eintreten soll (nämlich Krankheit) und erhöhen so die Wahrscheinlichkeit, dass genau dieser negative Fall eintritt.

Seriöse und erfolgreiche Verfahren aus den Bereichen Coaching, Beratung und Psychotherapie basieren auf dem Grundsatz

„Energy flows, where attention goes“

Veränderungen in uns – im positiven, aber leider auch im negativen Sinn – treten am ehesten dort auf, wohin wir unsere Aufmerksamkeit richten. Daher möchte Sie einladen, Ihren gedanklichen Fokus gezielt darauf zu lenken, was Sie sich wünschen, nämlich Gesundheit und Wohlbefinden. Wenn Sie die Berichte über die COVID-19-Pandemie in den Medien verfolgen, beschäftigen Sie sich gedanklich unweigerlich mit dem, was Sie unbedingt vermeiden möchten, nämlich Krankheit. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte keinesfalls die Gefahr verharmlosen oder Sie gar verleiten, mit den gebotenen Vorsichtsmaßnahmen leichtfertig umzugehen.

Es macht allerdings einen bedeutenden Unterschied für Ihre Psyche (und damit auch für die Funktionsfähigkeit Ihres Immunsystems) ob Sie diese Maßnahmen ergreifen, um gesund zu bleiben oder um nicht krank zu werden. Man weiß nämlich, dass entwicklungsgeschichtlich ältere Teile des Gehirns (vereinfacht gesagt das Zwischen- und Stammhirn) mit Verneinungen nichts anfangen können, so dass beispielsweise die Fokussierung auf die Vermeidung von Krankheit die Wahrscheinlichkeit für deren Entstehung erhöht.

Ganz allgemein möchte ich Sie einladen, bei der Formulierung von Zielen darauf zu achten, sich das vorzunehmen, was anfangen oder beibehalten werden soll und nicht anzustreben, dass etwas aufhören oder nicht eintreten soll.

Wenn Sie zusätzlich noch innere Bilder oder besser noch vertonte Video-Clips des gewünschten Erlebens in Ihrer Vorstellung ablaufen lassen, erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass es auch in der Realität dazu kommt. Noch hilfreicher wäre es, sich zu fragen, wie Sie stehen oder gehen würden, wenn Sie Ihr Ziel schon erreicht hätten und dann diese passende Körperhaltung tatsächlich einzunehmen.

Vielleicht kommt Ihnen das alles momentan etwas befremdlich vor. Vielleicht kann ich Sie dann aber zumindest ermuntern, die vorgeschlagenen Maßnahmen der Psychohygiene im Rahmen eines kleinen Experiments auszuprobieren und sich davon überraschen zu lassen, was passiert …

Ich würde mich freuen, wenn ich durch diese Hinweise zur Verbesserung Ihrer Psychohygiene ein wenig dazu beitragen konnte, dass Sie gesund an Leib und Seele durch diese schwierigen Zeiten kommen.

Bleiben Sie gesund!

Dr. Hannes Strebl
Betriebsärztlicher Dienst der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Hannes.Strebl@fau.de